Schulimpfungen passe?

Schulimpfungen passe?

Jüngste Rechtssprechung könnte das Ende der Schulimpfungen bedeuten
Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz (6 R 5/10t) vom 19. Mai 2010 ging ein Prozess
zu Ende, der das Ende der Schulimpfungen zumindest in der bisherigen Form zur Folge
haben wird.

Was war geschehen?

Ein Schüler der zweiten Klasse der Hauptschule Kühnsdorf wurde am 11.10.2004 im
Rahmen einer Schulimpfung von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt
gegen Hepatitis B geimpft. Um das Impfkonzept des Obersten Sanitätsrates umzusetzen,
wurde sie von der Landssanitätsdirektion beauftragt, die Impfung gegen Hepatitis B
anzubieten. Diese Impfung sei nun insbesondere bei den im 12. Lebensjahr stehenden,
bisher ungeimpften Kindern durchzuführen. Infolge dieser Impfung erkrankte der Schüler an
einer Entzündung der Sehnerven. Die Folge davon war eine hochgradige Sehbehinderung,
beinahe völlige Blindheit, mit einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 90%. Das
Bundessozialamt anerkannte die beidseitige Sehnervenatrophie (Zerstörung der Sehnerven)
als Impfschaden als Folge der Hepatitis-B-Impfung.
Die Eltern wandten sich an das Landesgericht Klagenfurt um Wiedergutmachung für den an
ihrem Sohn erlittenen gesundheitlichen Schaden.
Die Amtsärztin wurde verurteilt, Schmerzensgeld und Verunstaltungsentschädigung zu
erstatten. Den Grund für ihren Behandlungsfehler fand das Gericht in der höchst
mangelhaften Aufklärung der zu impfenden Schüler. An praktisch allen Schulen in Österreich
ist die Impfpraxis ähnlich. Die aktuelle Rechtssprechung lässt Schulimpfungen in der
bisherigen Form nicht mehr gelten.

Sind Schulimpfungen Pflicht?

Im Laufe dieses Verfahrens wurde deutlich, dass über die rechtliche Situation der
Schulimpfungen erstaunliche Unkenntnis herrscht. Sowohl Ärzte, Eltern, wie auch Behörden
sind über die rechtlichen Grundlagen des Impfens an Schulen wenig bis gar nicht informiert.
Es wurde unter anderem die Meinung vorgebracht, die „Schulimpfung sei ein ganz normaler
Vorgang während eines Schuljahres“, oder die Impfung gegen Hepatitis B sei „eben eine
Schulimpfung“. Solche Aussagen erwecken den Eindruck, Schulimpfungen seien einfach
Schulveranstaltungen und lenken von der Tatsache ab, dass Impfungen medizinische
Eingriffe mit Folgen für die Gesundheit sind.
Beim Lehrpersonal, bei Ärzten und sogar bei einem großen Teil der Juristen ist die Tatsache
noch unbekannt, dass es in Österreich keine Impfpflicht, und es daher auch keine
Impfpflicht an Schulen gibt.
Diese Tatsache wurde erst im Rahmen eines ähnlichen Prozesses bekannt. Der Oberste
Gerichtshof (1Ob271/06v ) hat in seiner Entscheidung vom 27.03.2007 geklärt, dass es sich
bei Schulimpfungen nicht um hoheitliches Handeln gehe. Das bedeutet, dass es keine
Impfpflicht in Schulen gibt. Aus der Zeit der Impfpflicht gegen Pocken und Tuberkulose sind
noch viele Behörden der Ansicht, Impfungen seien ein Akt der Hoheitsverwaltung und daher
Pflicht.
In Unkenntnis dieser Lage wurde das folgende Argument angeführt: „Die Impfung sei als
sogenannte „Schulimpfung“ von einer Amtsärztin durchgeführt und im Impfpass eingetragen
worden. Dies spreche eindeutig dafür, dass die Impfung als Ausfluss eines Hoheitsakts zu
qualifizieren sei, da nach dem äußeren Anschein „der Staat“ eine Tätigkeit im Rahmen der
üblichen Impfaktionen in einer staatlichen Schule entfaltet habe.
Der OGH widersprach dieser Sicht. Die Schulimpfung ist ein rein privatwirtschaftliches
Handeln. Allein die Tatsache, dass es sich um eine „Schulimpfung“ handle, widerspiegle
keinesfalls ein hoheitliches Handeln. Es gibt keine Impfpflicht und daher keine
verpflichtenden Schulimpfungen.

Aufklärungspflicht

Bekanntlich bestand die Aufklärung bisher darin, dass die Eltern vier Wochen vor der
Impfung einen Fragebogen auszufüllen hatten. Es wird darin gefragt, ob das Kind in den
letzten vier Wochen gesund war, ob Allergien bekannt seien oder eine Abwehrschwäche
bekannt sei. Unmittelbar vor der Impfung fragte nun die Impfärztin den Schüler, ob es ihm
gut gehe und ob er gesund sei. Ein solches, zwar freundliches Gespräch hat aber mit
Aufklärung nichts zu tun, auch wenn der Schüler die Frage mit JA beantwortet.
Worüber ist aufzuklären?
Es ist über mehrere Bereiche der Impfung aufzuklären.
Es genügt vor allem nicht, nur vom Risiko der Erkrankung zu sprechen.
Es muss ebenso eine ausführliche Aufklärung über die Gefahren und das Risiko der Impfung
erfolgen. Eine solche Aufklärung umfasst mehrere Punkte:
• Ist die Impfung, die durchgeführt werden soll, eine dringliche Maßnahme?
o Besteht eine konkrete oder unmittelbare Gefahr zu erkranken?
• Ist die Indikation dazu zwingend?
o Gehört der/die Schüler/in zur Risikogruppe?
• Wie hoch ist das Risiko der Erkrankung? Kann die zu verhindernde Infektion
einen schweren Schaden verursachen?
• Risiko und Gefahren (Nebenwirkungen) der Impfung
• Wie hoch das Risiko der Impfung?
• Gibt es gravierende, wenn auch sehr seltene Nebenwirkungen?
Wie hat die Aufklärung zu erfolgen?
Die Aufklärung über die Zustimmung zur Impfung muss persönlich erfolgen.
Formulare auszufüllen und Fragen mit JA oder NEIN anzukreuzen ist keine Aufklärung.
Es handelt sich bei Impfungen nicht um eine Heilbehandlung sondern um eine
Präventionsbehandlung. Es geht also nicht um sehr dringliche medizinische Eingriffe, bei
denen Eile geboten ist. Gerade bei nicht dringlichen Behandlungen ist das
Selbstbestimmungsrecht des/der Patienten/in zu respektieren.
Die zu impfende Person oder deren Vertreter muss daher in die Lage versetzt werden, das
Risiko der Krankheit und der Impfung selbst abwägen zu können. Das Ziel der Aufklärung ist
es, eine Risikoabwägung zu ermöglichen. Es ist klar zu stellen, dass sich die zu beratende
Person oder deren Vertreter in ihrer höchstpersönlichen Entscheidungsfreiheit für oder
gegen die Impfung entschieden hat.
Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen hat mit dieser begrüßenswerten Entscheidung
höchste Beachtung gefunden.

Zusammenfassung

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen.

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